Ist Wikipedia eine seriöse Quelle?

Was Texter beachten sollten...

Dieser Text kann Produktlinks zu externen Seiten enthalten, für die der Autor ggf. eine Vergütung erhält. Die Links sind zur korrekten Umsetzung der Transparenzpflicht auffällig gekennzeichnet.

Wikipedia.jpg

Wenn Schüler aufwendige Ausarbeitungen umgehen und Erwachsene sich online über ein bestimmtes Thema informieren wollen, tun sie dies oft mit ein paar Mausklicks bei Wikipedia. Das übersichtlich gestaltete Wissens-Portal scheint für den Menschen des Informationszeitalters ein kleines Paradies zu sein: Kostenlos, interessant, leicht handhabbar. Doch kann Wikipedia wirklich halten, was es verspricht oder zumindest suggeriert?

Die Wikipedia-Idee

Die Grundidee von Wikipedia klingt bestechend einfach: Das Wissen der versammelten Internetgemeinde wird zum wahrscheinlich umfangreichsten Lexikon der Welt gebündelt. Sicherlich gibt es noch unbesetzte Themen, aber Vielfalt und Detailfülle des Portals sind dennoch erstaunlich. Das Konzept war nicht neu und auch keinesfalls einzigartig. Aber vermutlich kein anderes Online-Lexikon wurde damit so konsequent erfolgreich wie Wikipedia.

Nach eigenen Angaben nahm Wikipedia 2012 unter den weltweit am meisten besuchten Websites den fünften Rang ein – gerade einmal elf Jahre nach seiner Gründung. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor dürfte sein, dass die Nutzer je nach Lust und Laune zugleich die Macher des Portals sind. Egal, ob es sich um komplett neue Artikel oder die Arbeit an bereits vorhandenen Texten handelt: An der umfangreichen Wissenssammlung kann jeder mitmachen, sogar ohne Registrierung. Doch dieser größte Vorteil ist zugleich auch die Schwachstelle von Wikipedia.

Wie seriös sind Wikipedia-Artikel?

Wikipedia verfügt natürlich über eine Art Qualitätssicherung. Administratoren und auch einfache Autoren spüren dabei beispielsweise rechtsradikale Geschichtsfälschung oder unternehmerisches Eigenlob relativ schnell und zielsicher auf. Doch es liegt in der Natur der Sache, dass ein so umfangreiches Portal nie vollständig überwacht werden kann. Alles, was nicht gerade groben Text-Vandalismus darstellt, bleibt daher unter Umständen sehr lange unbemerkt. Ein besonders peinliches Beispiel stellte in dieser Hinsicht der Wikipedia-Artikel zur Berliner Karl-Marx-Allee dar:

Ein Autor der Berliner Zeitung hatte hier 2009 die frei erfundene Aussage eingefügt, diese Straße habe im Volksmund einst „Stalins Badezimmer“ geheißen. Rund zwei Jahre lang blieb diese Angabe im Artikel stehen, ehe der Autor die Sache schließlich selbst publik machte. In der Zwischenzeit hatte der Scherz ein gewisses Eigenleben entwickelt: Eine große Illustrierte, mehrere Zeitungen und zahlreiche Online-Texte publizierten den angeblichen Fakt, ohne dabei Wikipedia als Quelle zu benennen...

Doch auch unabsichtliche Fehler sind wahrscheinlich nicht selten. Manchen Autoren ist zudem offenbar eine seriöse und neutrale Schreibweise nicht geläufig. So entstehen von persönlichen Sichtweisen eingefärbte „Fakten“ und scharfe Formulierungen, die wiederum andere Nutzer zu Widerspruch reizen. Da fast jeder Wikipedia-Leser auch selbst schreiben darf, entstehen daraus so genannte Edit-Wars, also beständige Änderungen des Textes.

Mittlerweile hat dieser Umstand eine ungute Entwicklung bewirkt. Es gibt eine strenge Hierarchie, wer Artikel blocken, Autoren sperren und ähnliches tun darf. Dadurch entsteht aber eine ideologische Blase, denn natürlich betrachtet man Autoren mit anderer Sichtweise auf ein Thema kritischer als die eigenen Unterstützer. Die deutsche Wikipedia erlangte so den Ruf, erkennbar linkslastig zu sein.

Verloren gegangen ist auch ein Mantra aus den Anfangsjahren: Der Oma-Test besagte, dass auch die Oma einen Text beim ersten Lesen verstehen sollte. Wer sich einmal die seriösesten Seiten des Portals anschaut – Beiträge zu Mathematik, Medizin und Naturwissenschaft – wird bisweilen nach den ersten Sätzen aufgeben. Begriffe werden häufig anhand anderer Fachtermini erklärt…

Ebenso fraglich erscheint die Sinnhaftigkeit mancher Beiträge. Interessanterweise argumentieren dabei Befürworter und Gegner jeweils mit dem gleichen Argument: Wikipedia sei schließlich eine Enzyklopädie. Die Einen leiten daraus ab, dass nur seriöses und relevantes Wissen publiziert werden sollte. Die Gegenseite wiederum meint, ein Lexikon müsse idealerweise alles darstellen, was existiert. Wohin dies führen kann, zeigt beispielsweise ein Onaniervideo im Artikel „Masturbation“, welches kontrovers diskutiert wurde. Irgendwann setzte sich schließlich die Ansicht durch, ein Video könne als Ergänzung zum Text online bleiben, weil es ja eine natürliche Sache darstelle. Nun, auch Erbrechen und Stuhlgang sind natürliche Sachen. Wir dürfen gespannt sein...

Streitkultur ohne Kultur: Das Kindergarten-Niveau

Erstaunliche Details und zusätzliche Informationen finden sich auch auf den zu jedem Text gehörigen Diskussionsseiten, welche bisweilen aufschlussreicher sind, als der eigentliche Artikel selbst. Anhand dieser Diskussionsseiten lässt sich oftmals auch abschätzen, wie vertrauenswürdig der jeweilige Wikipedia-Artikel ist. Ewig lange Diskussionen um bestimmte Textangaben oder Formulierungen münden bisweilen in regelrechte Schlachten aus Löschanträgen, Vandalismusmeldungen, Benutzersperrungen usw. Nicht immer geht es dabei noch wirklich um den zu diskutierenden Text. Der Meinungsstreit um ein bestimmtes Thema verselbstständigt sich quasi.

Linksextreme Schreiberlinge sind hierbei vermutlich aktiver oder zahlreicher als andere Autoren. Sie schwingen die altbekannte Nazi-Keule gegen jeden, der sich ihnen entgegenstellt. Autor Michael Klonovsky beispielsweise geriet im Jahr 2012 ins Visier der Linksextremen. Er hatte im Magazin Focus einen fragwürdigen Wikipedia-Eintrag thematisiert. Daraufhin stürzten sich vermutlich linke Klassenkämpfer offenbar auf den Wikipedia-Artikel über Michael Klonovsky selbst. Erwartungsgemäß wurde dem Autor nunmehr eine neurechte Gesinnung attestiert, obwohl er (ebenfalls laut Wikipedia) mit einer Israelin verheiratet ist. Die ganze Sache gipfelte in der wenig professionellen Bezeichnung „Kettenhund“.

Angesichts solcher Zustände darf es nicht verwundern, dass Wikipedia unter Autorenschwund leidet. Wer lässt sich trotz aller Anonymität schon gern beleidigen und diskriminieren? Zur Ehrenrettung des Portals sei allerdings erwähnt: Es gibt sehr viele vernünftige Autoren, die fundiert schreiben und auch oft genug zwischen Streithähnen vermitteln. Ihnen ist wahrscheinlich zu verdanken, dass die durchaus positive Idee der freien Wissensgemeinschaft Wikipedia immer noch funktioniert.

Schwarzbuch Wikipedia             

Der Alleswisser: Wie ich versucht habe, Wikipedia durchzulesen, und was ich dabei gelernt habe

Schwarzbuch Wikipedia 2

Wikipedia: Unterhaltsam, aber keine Enzyklopädie

Unabhängig davon, dass viele Artikel natürlich fundiert und fachlich völlig korrekt sind: Aufgrund seiner Struktur kann Wikipedia niemals eine belastbare Quelle darstellen, wie man sie bei renommierten Verlagshäusern findet. Immerhin handelt es sich um eine nicht statische Wissenssammlung, da deren Inhalt sekundenschnell von nahezu jedem Nutzer geändert werden kann. Bedauerlicherweise hat die geniale Wikipedia-Idee bewirkt, dass das Geschäft mit bezahltem, aber seriösem Wissen (beispielsweise gedruckte Lexika oder das leider nicht mehr existente Online-Wissenscenter von Brockhaus) nur noch ein Nischendasein führt.

Für Sachtexte, Schüleraufgaben und wissenschaftliche Arbeiten ist Wikipedia daher entgegen gelegentlicher Pressemeldungen nur bedingt nutzbar. Das Portal eignet sich hervorragend, um zunächst einen Überblick über das Thema zu gewinnen. Anhand des oft angefügten Quellenregisters lassen sich einzelne Fakten anschließend auf Stichhaltigkeit, Korrektheit und Neutralität prüfen. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass diese Quellen wiederum nicht auf Wikipedia-Artikeln basieren, da sonst die Gefahr eines Zirkelschlusses besteht. Im Idealfall gelingt jedoch sogar die Auffindung seriöser, belastbarer und fundierter Quelltexte. Abgesehen davon ist das Lesen von Wikipedia-Artikeln per Zufallsklick natürlich durchaus interessant. Es macht immerhin Spaß und keineswegs dümmer...

Missbrauch melden Mehr erfahren