Wie Jack Reacher zum Anti-Helden wurde

Dieser Text kann Produktlinks zu externen Seiten enthalten, für die der Autor ggf. eine Vergütung erhält. Die Links sind zur korrekten Umsetzung der Transparenzpflicht auffällig gekennzeichnet.

Es war einmal in den 1990er Jahre, als ein neuer Romanheld die literarische Weltbühne betrat: Jack Reacher, ein Ex-Militärpolizist, der ziel- und rastlos die USA durchquert. Per Anhalter, per Bus oder als Wanderer mit geringem Gepäck, welches im Wesentlichen aus einer zusammenklappbaren Zahnbürste besteht. Mit einer Mischung aus Körperkraft, Kampfkunst und analytischem Denken meistert Reacher seitdem alle lebensbedrohlichen, scheinbar ausweglosen Situationen. Er unterscheidet sich dadurch von den unzähligen Helden anderer Roman-Reihen. Reacher ist ein wirkliches Original.

Jack Reacher: Ein Romanheld wandelt sich

Bereits mit „Größenwahn“ dem Debütwerk über diese faszinierende Figur fabrizierte der Autor Lee Child einen Bestseller. Seitdem darf sich die weltweite Reacher-Fangemeinde ungefähr einmal pro Jahr über ein neues Abenteuer des Helden freuen, der Ärger zwar nicht unbedingt sucht, im Konfliktfall aber bedenkenlos tötet. Doch genau in dieser Hinsicht zeigt Jack Reacher gewisse Abnutzungserscheinungen. Er ist zwar unverändert genial und siegreich. Doch seine Motive haben sich gewandelt und sind teilweise schwer nachvollziehbar.

In einem der chronologisch früh angesiedelten Romane namens „Die Abschussliste“ ist Reachers rabiates Vorgehen noch seinen Ermittlungen als Militärpolizist geschuldet. Childs Erstlingswerk „Größenwahn“ wiederum rechtfertigt die Gewalt mit einer Art Selbstverteidigung, da Reacher unverschuldet gleichzeitig ins Visier von Verbrechern und Gesetzeshütern gerät. Während der nachfolgenden Romane wird der hünenhafte Einzelgänger dann oftmals als moderner Robin Hood dargestellt. Er stößt immer wieder auf Situationen, in denen Schwächere auf Hilfe angewiesen sind. Gelegentlich gesellt sich dazu aber auch das fragwürdige Motiv persönlicher Rachefeldzüge („Der Janusmann“, „Trouble“). Gänzlich seltsam wird Reachers Handeln schließlich in den Romanen „Outlaw“ und „Underground“. Der Held ist hier nur am Rande von den Ereignissen betroffen und könnte aller Vernunft nach einfach weiterziehen. Stattdessen mischt er sich ungefragt ein, schafft sich bewusst gefährliche Gegner und provoziert regelrecht die Auseinandersetzung. Das Ganze ist eine Mischung aus Trotz, Neugier und „dicke Hose“. Ein Verhalten also, das man gewöhnlich gewissen Ghetto-Kids in Berlin oder Köln nachsagt. Mit der charakterlich gestählten Figur Jack Reacher hat das nicht mehr viel zu tun.

Jack Reacher auf der Kinoleinwand: Gescheiterte Imagepolitur für Tom Cruise?

Seit Januar 2013 leistet nun auch noch die Filmbranche ihren Beitrag dazu, die Heldenfigur Jack Reacher im gleichnamigen Kinospektakel zu demontieren. Zur Erinnerung: In den Romanen ist der blonde, blauäugige Reacher ein wendiges Muskelpaket, ungefähr zwei Meter groß und nie leichter als 90 Kilogramm. Von den körperlichen Dimensionen her also in etwa das Niveau eines Arnold Schwarzenegger.

Doch wen wählten die Filmemacher für Hauptrolle aus? Tom Cruise, dunkelhaarig, eher schlank und ungefähr 30 Zentimeter kleiner, als es die Romanvorlage festlegt. Der Verdacht drängt sich auf, dass hier die Beliebtheit des realen und des fiktiven Stars auf Gegenseitigkeit gesteigert werden soll. Die Reacher-Fans reagierten nach Berichten der Website www.krone.at erbost über diese eigenartige Besetzung der Hauptrolle, was die Leserkommentare zum dortigen Artikel zu bestätigen scheinen.

Christopher McQuarrie, der Regisseur des Jack-Reacher-Films, erklärt hingegen nach Darstellung der Website www.kinofans.com, dass äußerliche Ähnlichkeiten nicht so entscheidend seien und meint zudem: „Toms Persönlichkeit ähnelt am meisten der von Jack Reacher...“

Wirklich? Tom Cruise ist immerhin ein durch seine Sektenzugehörigkeit in negative Schlagzeilen geratener Schauspieler. Jack Reacher hingegen hält von ideologischen Bindungen nicht viel und denkt darüber bisweilen recht zynisch... Es bleiben also allein die Frauengeschichten, die eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Darsteller und Romanfigur aufweisen. Ob dies für das Image von Tom Cruise und Jack Reacher aber wirklich vorteilhaft ist, darf bezweifelt werden.

Missbrauch melden Mehr erfahren