Päpstin Johanna: Eine Frau auf dem Stuhl Petri

Ein Mythos geht seit Jahrhunderten um: Eine verkleidete Frau habe einst als Papst geherrscht. Durch Geschichtsfälschung soll der Vatikan das Ereignis verschleiert haben…

Dieser Text kann Produktlinks zu externen Seiten enthalten, für die der Autor ggf. eine Vergütung erhält. Die Links sind zur korrekten Umsetzung der Transparenzpflicht auffällig gekennzeichnet.

Finstere Verschwörungstheorien rund um das Papsttum haben Hochkonjunktur. Titel wie „Iluminati“, „Sakrileg“ oder „Das Jesus-Komplott“ sorgten in Buchläden und Kinopalästen bereits für erfreuliche Umsätze. Vermutlich trauen daher einige Zeitgenossen der kleinen und wenig transparenten Welt des Vatikan mittlerweile jede Schurkerei zu. Kein Wunder also, wenn auch ein echter Dauerbrenner unter den Vatikan-Legenden immer noch auf reges Interesse stößt: Die angeblich verheimlichte Existenz einer Frau auf dem Papst-Thron.

Die Geschichte der Päpstin Johanna

Wirklich klar ist an der Päpstinnen-Theorie nur der Umstand, dass nichts klar ist. Nicht einmal über den Zeitraum des Ereignisses sowie den Namen der Hauptperson herrscht Einigkeit. Die meisten Überlieferungen sprechen jedoch davon, dass im 9. Jahrhundert eine gewisse Johanna den päpstlichen Thron inne hatte. Vereinfacht wiedergegeben, soll sich die unerhörte Begebenheit ungefähr so abgespielt haben:

Ein Mädchen aus Mainz habe unter Verheimlichung seines Geschlechts Theologie studiert und wurde (vermutlich 855) aufgrund seiner Gelehrsamkeit zum Papst gewählt. Nach mehr als zweijährigem Pontifikat habe sie jedoch während einer Prozession ein Kind zu Welt gebracht....

An diesem Punkt endet die grobe Übereinstimmung der Legenden um das Mädchen Johanna. Während einige Chronisten Johanna an den Folgen der Geburt sterben lassen, wurde sie nach anderen Quellen vom erzürnten Volk zu Tode getrampelt. Eine humanere Theorie wiederum spricht von der Verbannung Johannas in ein Kloster.

Spurensuche: Kann die Päpstin Johanna wirklich existiert haben?

Wie bei Verschwörungstheorien allgemein üblich, verweisen die Anhänger der „echten“ Päpstin auf merkwürdige Indizien, welche sich (realistisch betrachtet) jedoch auch genau entgegengesetzt interpretieren lassen.

Der alte Papststuhl: Tatsächlich wies eine frühere Version des päpstlichen Throns in der Mitte der Sitzfläche ein Loch auf. Ein Beweis für den Skandal um Johanna, als dessen Auswirkung sich nun alle nachfolgenden Päpste einer „handfesten“ Männlichkeitsprobe unterziehen mussten? Diese Annahme könnte sogar stimmen. Allerdings beweist dies nicht die Existenz der Johanna, sondern lediglich, dass lange Zeit auch die kirchlichen Würdenträger selbst von der Wahrheit der Johanna-Legende überzeugt waren. Ein unappetitlicher Erklärungsversuch für den gelochten Papst-Stuhl besagt hingegen, dass die oft nicht mehr ganz jungen Päpste auf diese Weise unbemerkt und bequem ihr „Geschäft“ verrichten konnten, ohne erst mit würdeloser Eile den nächsten Abort aufsuchen zu müssen...

Die Gasse der Päpstin: Geheimnisvoll erscheint auch die ehemalige „vicus papessa“ (zu deutsch: Stadtviertel oder Weg der Päpstin). Diese römische Gasse verfügt über eine aus mehrdeutigen Abkürzungen bestehende Inschrift und wurde von Päpsten bei Prozessionen strikt gemieden. Außerdem befindet sich dort eine Madonnen-Figur, welche von Freunden der Johanna-Legende als Standbild der Päpstin gedeutet wird. Die Bezeichnung „vicus papessa“ ist jedoch vermutlich ein grammatikalisch bedingter Übersetzungsirrtum. Das Wort „papessa“ bezieht sich demnach nicht auf die (völlig unlogische) weibliche Form von „Papa“, sondern vielmehr auf die adlige Familie Papes, welche dort einst ihren Sitz hatte. Dass die Gasse bei Papst-Prozessionen gemieden wurde, lässt sich ganz unspektakulär mit ihrer geringen Breite erklären.

Benedikt III.: Nach dem offiziellen Papst-Register bestieg im Jahr 855 Benedikt III. den Stuhl Petri, herrschte jedoch nur drei Jahre lang. Kritiker sehen in dieser kurzen Amtszeit eine Fälschung der Chroniken, um die etwa gleich lange Regierungsphase der Johanna zu verschleiern. Wer allerdings einmal die Liste der über 300 bisherigen Päpste und Gegenpäpste studiert, wird massenhaft kurze Amtszeiten sowie bis heute unklare Datierungen finden...

Wie konnte die Sage um die Päpstin entstehen?


Ursprünglich sprach die im 13. Jahrhundert aufgekommene Legende von einer nicht näher bekannten Päpstin des 11. Jahrhunderts. Vermutlich ergänzte der Chronist und spätere Erzbischof Martin von Troppau das anfängliche Gerücht um die wesentlichen Teile der heutigen Legende und verlegte die Datierung in das 9. Jahrhundert.

Das Gedankenspiel um einen weiblichen Papst fußt möglicherweise auf der Epoche der Pornokratie: Eine Frau namens Theodora sowie deren berüchtigte Tochter Marozia sollen zu Beginn des 10. Jahrhundert für Aufstieg, Regierungsstil, Liebesleben und Sturz von insgesamt acht Päpsten verantwortlich gewesen sein. Die zeitliche Distanz zur angeblichen Päpstin beträgt also nur wenige Jahrzehnte.

Selbst der Name Johanna erklärt sich wahrscheinlich aus den Verhältnissen jener Zeit, denn Marozia war die Mutter des Papstes Johannes XI. Möglich wäre aber auch der Bezug auf Papst Johannes VIII., welcher nur wenige Jahre nach der vermeintlichen Päpstin herrschte. Ihm wurden aufgrund politischer Entscheidungen Feigheit und weibisches Verhalten angedichtet. 882 erschlug man ihn angeblich mit einem Hammer.

Wie der Mythos entzaubert wurde

Bis ins 17. Jahrhundert wurde die Geschichte der Päpstin allgemein als wahr angesehen. Mehrere Jahrhunderte lang hätte der Vatikan also Gelegenheit gehabt, alle heute noch existenten „Beweise“ einer historischen Johanna zu vernichten. Doch er tat es nicht. Eine moderne Geschichtsfälschung erscheint somit recht unlogisch. Erst der vor allem in Frankreich wirkende Theologe David Blondel belegte 1647 anhand wissenschaftlicher Beweisführungen, dass die Existenz einer Frau auf dem Papstthron gar nicht möglich sei. David Blondel selbst dient dabei als Garant, dass der Vatikan hier keineswegs ein peinliches Ereignis mittels gefälschter Fakten verschwinden ließ: David Blondel war reformierter Pfarrer, also in den Augen der katholischen Kirche ein Ketzer und somit ein denkbar ungeeigneter Zeuge.

Die seriöse Geschichtswissenschaft hat den Fall der Päpstin Johanna längst zu den Akten gelegt. Für Freunde historischer Rätsel aber bleibt die geheimnisvolle Frau auf dem Papstthron wohl auch weiterhin höchst lebendig...


Missbrauch melden Mehr erfahren