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Bruder Andrew: Unterwegs als Gottes Schmuggler

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Nichts deutete darauf hin, dass die Biografie dieses Mannes einmal legendäre Züge annehmen sollte. Der Lebenslauf des 1928 geborenen Holländers Anne van der Bijl schien absehbar zu sein: Als viertes von sechs Kindern eines armen Schmieds wuchs er in einem feuchten, unwirtlichen Landstrich auf. Entsprechend gering muteten die Aussichten auf beruflichen Erfolg oder gar gesellschaftliche Popularität an.

Anne van der Bijl erwies sich zunächst als typischer Junge vom Lande. Er war sportlich und durchstreifte gern die nähere Umgebung seines Heimatdorfes. Vor seinen Streichen war selbst die deutsche Wehrmacht nicht sicher, welche Holland von 1940 bis 1945 besetzt hielt. Sein Abenteuerdrang, gepaart mit trüben Berufsaussichten, veranlasste den jungen Mann, 1946 der holländischen Kolonialarmee beizutreten. Drei Jahre lang kämpfte er in Niederländisch-Ostindien gegen Aufständische und machte sich einen Namen als besonders wagemutiger und tollkühner Soldat. Gegen Ende dieses Krieges, aus welchem 1949 der Staat Indonesien hervorging, wurde Anne van der Bijl am Fußknöchel schwer verletzt. Ein einziger Moment hatte genügt, um aus dem ehemals ausdauernden und schnellen Läufer einen Invaliden zu machen. Für Anne van der Bijl war damit das Kriegsabenteuer definitiv zu Ende.

Der langsame Genesungsprozess, eine Gehbehinderung sowie das stumpfsinnige Rehabilitationsprogramm verbitterten den jungen Holländer zunächst. Doch immer wieder begegnete er Menschen, die durch Wort und Tat ihren christlichen Glauben bezeugten. Anne van der Bijl gab dadurch einige lasterhafte Verhaltensweisen auf und bekehrte sich schließlich zu Gott. Er fand Arbeit in einer Schokoladenfabrik, wo er von nun an selbst missionarisch tätig wurde.

Ab 1953 studierte er zwei Jahre lang an der schottischen Missionarsschule „Bible Training Institut“. Sein faszinierendes Gottvertrauen stellte van der Bijl dabei erstmals unter Beweis: Er sprach kaum Englisch, besaß die vorab zu entrichtenden Studiengebühren nicht und wusste, dass am Institut in diesem Jahr kein Studienplatz mehr frei war! Dennoch reiste er nach Glasgow und fand dort tatsächlich für jedes Problem überraschende Hilfe.

Gegen Ende seiner Ausbildung stieß Anne van der Bijl zufällig auf eine Zeitschrift. Darin wurde für ein kommunistisches Jugendfestival in Polen geworben. Er trat einer entsprechenden Delegation bei und reiste so 1955 erstmals hinter den Eisernen Vorhang. In Polen gelang es ihm, Kontakt zu den dortigen Christen herzustellen, welche, wie überall im Ostblock, unter Repressalien, Verfolgung und Unterdrückung zu leiden hatten.

Sensibilisiert für dieses Thema, berichtete der junge Holländer in seiner Heimat über das Leben der Christen im Kommunismus. Eine linksgerichtete Gruppierung lud ihn daraufhin zu einer Propagandareise in die Tschechoslowakei ein. Der Missionar nutzte diese Gelegenheit wiederum, um mit den dortigen Christen heimlich in Kontakt zu kommen. Dabei erfuhr er einen Umstand, welcher bestimmend für sein weiteres Handeln werden sollte: In einigen kommunistischen Ländern herrschte ein staatlich forcierter Mangel an Bibeln.

Anne van der Bijl plante nun, diesem Mangel abzuhelfen. Eine Vielzahl an Spenden ermöglichte es ihm, Bibeln und andere geistliche Schriften in den jeweiligen Landessprachen aufzutreiben. Jene packte er in einen geschenkten VW Käfer und bereiste damit die Staaten hinter dem Eisernen Vorhang, obwohl dort die Einführung religiöser Schriften verboten war.

Legendär wurde in diesem Zusammenhang das sogenannte Schmugglergebet, welches der Missionar während der gefürchteten Grenzkontrollen sprach: „Herr, du hast blinde Augen sehend gemacht. Jetzt bitte ich dich, mache du sehende Augen blind...“ Tatsächlich fanden die zum Teil gut sichtbar im Fahrzeug liegenden Bücher bei den Grenzsoldaten keinerlei Beachtung.

1957 kam Anne van der Bijl auf diese Weise sogar bis nach Moskau. Die unterdrückten Christen hinter dem Eisernen Vorhang nannten den Missionar von nun an „Bruder Andrew“ oder auch liebevoll den „Schmuggler Gottes“.

Unter diesem Titel veröffentlichte Bruder Andrew 1967 auch sein erstes Buch. „Der Schmuggler Gottes“ wurde ein Bestseller, welcher sich bisher mehr als 10 Millionen mal verkaufte. Trotz der im Buch recht allgemein gehaltenen Angaben zu seiner Arbeit konnte Bruder Andrew nunmehr aus Sicherheitsgründen nur noch eingeschränkt im Ostblock tätig werden. Doch mittlerweile hatte Bruder Andrew einige Mitstreiter gewonnen, welche seine Arbeit fortführten. Aus bescheidenen Anfängen entstand so nach und nach die Hilfsorganisation „Open Doors“. Bruder Andrew selbst besuchte nun außereuropäische, kommunistische Staaten wie China oder Kuba. Ab den 70er Jahren gehörten schließlich auch afrikanische Länder zu seinen Reisezielen. Damit hatte die auch weiterhin spendenfinanzierte Arbeit von Open Doors internationalen Charakter angenommen.

Sein erstaunliches Gottvertrauen bewies Bruder Andrew wohl am deutlichsten, als er das „Projekt Perle“ ins Leben rief: Unter hohen finanziellen und persönlichen Risiken schmuggelten die Mitarbeiter von Open Doors 1981 innerhalb einer Nacht eine Million Bibeln nach China.

Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus wandte sich der Schmuggler Gottes den Christen in der islamischen Welt zu und warb dort für Frieden und die Freiheit der christlichen Religion. Die aktive Leitung von Open Doors gab Bruder Andrew jedoch 1995 ab und blieb Ehrenvorsitzender der Organisation. Das Wort „Ruhestand“ schien für ihn dennoch ein fremder Begriff zu sein, denn der Mann mit der außergewöhnlichen Biografie galt weltweit als gefragter Redner und Prediger. Bruder Andrew verstarb hochgeachtet im Jahr 2022.


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